Presse/News | Retailmarkt nach Krisenjahr vor neuen Herausforderungen
▪ 2021 steigende Leerstände durch Insolvenzen und Ausdünnung von Filialnetzen
▪ Fokus der bonitätsstarken Marken / Retailer noch stärker auf Mikrolagen
▪ Hoher Bedarf an innerstädtischen Logistikflächen und „Basisstationen“ für Lieferkonzepte
Für den österreichischen Markt für Einzelhandelsimmobilien war 2020 ohne Zweifel die herausforderndste Periode seit Jahrzehnten. Lockdowns, Beschränkungen von Kundenzahlen, Maskenpflicht und der weitgehende Zusammenbruch des internationalen Städtetourismus haben Einzelhandel und Gastronomie in eine tiefe Krise gestürzt. Allein die drei Lockdowns bewirkten einen Umsatzrückgang von rund 8,5 Milliarden Euro. Die nationale und vor allem internationale Nachfrage nach neuen Mietflächen ist in der Folge drastisch zurückgegangen, in zunehmendem Maß stiegen im Jahresverlauf auch die Leerstände.
Dem Krisenjahr 2020 folgt ein nicht weniger herausforderndes Jahr 2021. Die staatlichen Unterstützungen, die bisher vielen Einzelhändlern und Gastronomen das Überleben sicherten, werden aller Voraussicht nach im Jahresverlauf auslaufen, danach ist mit einer steigenden Zahl von Geschäftsaufgaben zu rechnen. So erwartet der Handelsverband für die kommenden Monate bis zu 6500 Insolvenzen und auch nicht alle Gastronomiebetriebe werden die Covidkrise überstehen.
„Im Hinblick auf Flächenrückgaben und Mietausfälle wird 2021 zumindest nicht leichter als 2020 werden“, erwartet EHL-Retailspezialist Mario Schwaiger. „Corona hat den Markt in einer ohnehin fragilen Situation getroffen und bereits bestehende Trends zur Reduktion der Filialzahl und der Filialgrößen verstärkt. Insbesondere die Verlagerung von Umsätzen aus den Filialen in den Onlinehandel wird auch nach einem Ende der Coronabeschränkungen nur teilweise rückgängig gemacht werden können.
„Struktur und Erscheinungsbild von Einkaufsstraßen, Einkaufs- und Fachmarktzentren werden sich in den kommenden Jahren deutlich und nachhaltig ändern“, so Schwaiger. „Viele traditionell starke Branchen wie z.B. Mode oder Schuhe werden deutlich an Gewicht verlieren. Quantitativ zwar weniger bedeutend wird auch das Luxussegment, das die Bestlagen dominiert, bis zu einer Erholung des Städte- und Kongresstourismus weniger Flächen benötigen.“ Für einige Zeit sei daher mit steigenden Leerständen zu rechnen, die anders als in der Vergangenheit auch sehr gute Standorte betreffen würden. „Innenstadtlage allein wird nicht mehr reichen, die Nachfrage wird sich auf Flächen konzentrieren, bei denen auch der Mikrostandort perfekt ist.“ Branchen wie insbesondere die Lebensmittelbranche, die von Corona nicht getroffen wurden oder sogar profitierten, würden die Lücken nur zu einem kleineren Teil füllen können bzw. werden dafür umfangreiche Adaptionen der Bestandsflächen erforderlich werden.
Doch trotz der herausfordernden Gesamtsituation gäbe es auch Lichtblicke, betont Schwaiger. Stark steigende Nachfrage sei für innerstädtische Logistikflächen zu registrieren, ebenso für „Basisstationen“ für Lieferservices – beispielsweise aus dem Lebensmittel- od. Gastronomie-Lieferservice-Bereich. Auch Dienstleister aus dem Gesundheitsbereich, Kindergärten, Werkstätten, Hybridkonzepte für Online/Offlinehandel, Freizeitangebote, Shared workspaces etc. entdeckten in zunehmenden Maß bisher für klassischen Einzelhandel genutzte Flächen als attraktive Standorte. „In Einkaufsstraßen und Einkaufszentren wird es in Zukunft sicher einen weitaus vielfältigeren und bunteren Nutzungsmix geben“, erwartet Schwaiger. „Für innovative Konzepte im Einzelhandel und für Alternativnutzungen eröffnet der durch die Krise beschleunigte Strukturwandel Chancen auf gute Standorte. Immobilieninvestoren und Einkaufszentrenbetreiber dürfen sich diesem Wandel nicht verschließen und nur auf die traditionellen Großmieter setzen, sondern sind gut beraten, wenn sie aktiv auf zukunftsorientierte Nutzungskonzepte und einen innovativen Mietermix setzen.“