Presse/News | “price premiums” und “brown discounts”
Bei der Kür des Immobilienbegriffs des Jahres würde das Kürzel „ESG“ wohl beste Chancen auf den Spitzenplatz haben. ESG-Konformität ist zum wesentlichen Wettbewerbsfaktor geworden – Investoren und Mieter, Entwickler und Finanzierer orientieren sich maßgeblich an den Anforderungen, die durch die EU-Taxonomie auf sie zukommen. Dementsprechend wird das Thema auch unter Gutachtern und im EHL-Bewertungsteam vielschichtig diskutiert.
Eine der wichtigsten Aufgaben in der Immobilienbewertung ist es, die aktuellen Marktentwicklungen laufend zu beobachten, Marktveränderungen zu erkennen und diese entsprechend in der Bewertung zu berücksichtigen – d.h. die „Übersetzung“ des Marktgeschehens in gut begründete und sorgfältig ausgearbeitete Bewertungsansätze ist wesentliche Aufgabe des Bewerters. Die Gutachter sind daher dazu aufgefordert, die spezifischen Marktentwicklungen aufgrund ESG zu beobachten und die Auswirkungen unterschiedlicher ESG-Ratings in der Bewertung zu berücksichtigen. Laut RICS Sustainability Report 2021 schätzen rd. 50% der Teilnehmer an der internationalen Umfrage, dass nachhaltige Gebäude höhere Mieten und Preise erzielen werden – wobei über ein Drittel diese „price premiums“ mit bis zu 10% angeben. Gleichermaßen geben mehr als 30% der Befragten an, dass es für nicht-klassifizierte, nicht nachhaltige Gebäude entsprechende Preisabschläge, sog. „brown discounts“, geben wird. Tatsächliche, datenbasierte Evidenz für diese Einschätzungen liegt gegenwärtig noch nicht auf dem Tisch.
Konkrete Ansatzpunkte in der Immobilienbewertung reichen von der Berücksichtigung ggf. höherer Baukosten, jedoch günstigerer Finanzierungskonditionen in der Projektentwicklung bis zu Vorteilen im laufenden Betrieb: ESG-konforme Gebäude werden von Mietern stärker nachgefragt, erhöhter Nutzerkomfort und niedrigere laufende Kosten werden erwartet, was zu höheren Mieterträgen und weniger Leerstand führen kann. Als stärkster preisbildender Faktor wird sich letztlich die Rendite, die Investoren bereit sind zu bezahlen, im Liegenschaftszinssatz niederschlagen.
Erschienen im Immobilien Magazin | Ausgabe 12 2021