Presse/News | Immobilieninvestment-markt - EHL Update 1. Halbjahr 2020

  • Investmentmarkt trotz Krise stark und aktiv: Fast eine Milliarde Transaktionsvolumen im "Corona-Quartal"
  • Preise für Topobjekte stabil bis leicht steigend, Risikoabschläge für Non-Core-Objekte werden höher
  • Deutsche Investoren derzeit aktiver als österreichische Käufer
  • Interesse konzentriert sich auf Wohnen, Top-Büroobjekte und Einzelhandel mit Schwerpunkt Lebensmittel und Nahversorgung

Marktvolumen

Im ersten Halbjahr 2020 war der österreichische Immobilienmarkt, wie auch die gesamte Wirtschaft massiv durch die Coronakrise und ihre Begleiterscheinungen geprägt. Das resultierte in einem Rückgang des Marktvolumens, der allerdings viel weniger gravierend ausfiel, als in Anbetracht der aktuellen Wirtschaftskrise erwartbar gewesen wäre, und wie er insbesondere zu Beginn der Pandemie in Österreich auch von zahlreichen Immobilienexperten befürchtet worden war.

Das Transaktionsvolumen ging im Halbjahresvergleich zwar um rund 11 Prozent zurück, mit rund 1,5 Mrd. Euro wurde dennoch ein Wert erreicht, der noch vor wenigen Jahren auch unter normalen Begleitumständen als durchaus zufriedenstellend bewertet worden wäre. Bemerkenswert ist vor allem, dass das „Coronaquartal“ Q2 mit rund 900 Millionen Euro Transaktionsvolumen sogar deutlich stärker als das erste Quartal ausfiel, wobei aber einige Transaktionen auch schon vor Ausbruch der Pandemie initiiert und in Q2 dann zum Abschluss gebracht wurden.

Zu beachten ist bei der Bewertung der Marktkennzahlen auch, dass eine nicht unbeträchtliche Anzahl von Transaktionen, die im zweiten Quartal abgeschlossen hätte werden sollen, nicht gänzlich abgesagt, sondern schlicht durch technische Umstände (geschlossene Grenzen, keine Flüge, Kontaktsperren, etc.) verzögert wurde. Sie scheinen daher in den Statistiken noch nicht auf, ohne dass das einen  Rückschluss auf das Käuferinteresse erlauben würde.

Die Marktentwicklung ist somit in Anbetracht des außergewöhnlichen sozialen und wirtschaftlichen Umfelds durchaus positiv zu bewerten. So zeigt sich das Segment Wohnen fast völlig unbeeindruckt von der Krise, auch die Nachfrage nach Topobjekten aus dem Segment Büro ist weiterhin gut. Deutlich stärker betroffen sind die Bereiche Einzelhandelsimmobilien (mit Ausnahme von Lebensmittelmärkten und FMZ oder EKZ mit hohem Anteil an Nahversorgern) sowie auch Hotels und schlecht vermietete Gewerbeobjekte in Sekundärlagen.

Transaktionen

Im Berichtszeitraum konnten einige bemerkenswerte Großtransaktionen mit Volumina von (teilweise deutlich) mehr als 100 Mio. Euro abgeschlossen werden. Die drei größten Deals waren der Kauf des Büroobjekts Austro Tower in Wien Erdberg durch die DEKA-Gruppe, des „Wohngarten“ im 11. Wiener Gemeindebezirk durch ZBI und der Lassallestrasse 1, eines Büroobjekts im 2. Bezirk, durch EPH. Deutlich dahinter, aber immer noch in der obersten Gewichtsklasse von 100 Mio. Euro, lag der Kauf des „Schanz 44“ in Wien 14 durch Aberdeen. Alle vier Investments entfielen auf das zweite Quartal.

Auch in der mittleren Größenklasse zwischen 50 Mio. und 100 Mio. Euro gab es einige vielbeachtete Transaktionen. Ein starkes Signal für die steigende Beachtung der Wohnungsmärkte in den  andeshauptstädten war das Closing des von EHL vermittelten “Home Lend“, des größten innerstädtischen Wohnbauprojekts in Graz, welches an Union Investment veräußert wurde.

Im durch Corona besonders getroffenen Segment Einzelhandleimmobilien ist der Kauf des Pannonia Retail Park Neusiedl durch die ERGO-Versicherung (ebenfalls von EHL vermittelt) besonders  erwähnenswert. Das Pannonia weist einen hohen Anteil von Nahversorgern und Diskontern auf und ist damit geradezu der Prototyp des derzeit bei den Investoren beliebtesten Subsegments im Retail-Bereich. Keine größere Transaktion gab es nur im Hotelmarkt, hier warten potenzielle Investoren offensichtlich die weitere Entwicklung des Epidemiegeschehens und damit der Tourismusbranche ab.

Investoren

Die über Jahre hinweg kontinuierlich fortschreitende Internationalisierung des österreichischen Immobilieninvestmentmarkts ist 2020 zumindest kurzzeitig unterbrochen worden. Auf Käuferseite waren fast ausschließlich Investoren aus der DACH-Region vertreten. Allein auf deutsche institutionelle Anleger entfiel fast die Hälfte des Marktvolumens, einheimische Käufer folgten mit deutlichem Respektabstand.

Auf Investoren von außerhalb der DACH-Region entfielen insgesamt weniger als zehn Prozent des Marktes. Dieses geringe Engagement war einerseits den reisetechnischen Hürden geschuldet, andererseits auch dem Umstand, dass diese Käufergruppe tendenziell an weniger sicherheitsorientierten Investments mit höheren Renditen interessiert ist, und dies der sehr stabile österreichische Immobilienmarkt kaum bietet. Zudem ist die Unsicherheit in Bezug auf die Entwicklung des Preisniveaus in diesem Segment ein weiterer limitierender Faktor.

Deutsche Investoren sind hingegen traditionell auf die in der Krise robusteren, klar sicherheitsorientierten Marktsegmente fokussiert. Da für diese oft auch in Österreich beheimatete Investmentteams tätig sind, waren sie außerdem von den Reisebeschränkungen weitaus weniger betroffen.

Renditen

Die Renditen entwickelten sich im Berichtszeitraum höchst unterschiedlich. Gemeinsamer Nenner aber war, dass der Abstand zwischen Spitzen- und Durchschnittsrenditen gestiegen ist. Sicherheit ist Trumpf und wird vom Markt mit exzellenten und in manchen Teilmärkten sogar weiter steigenden Preisen honoriert, Risiken werden hingegenstärker mit Abschlägen berücksichtigt.

Die risikoaverse Grundstimmung am Markt schlägt sich in großem Interesse am Segment Wohnen nieder. Neubauprojekte in sehr guter Lage und nachhaltig abgesichertem Mietenniveau erreichen weiterhin Renditen von rund 3,5 Prozent mit sinkender Tendenz. Sehr stabil zeigen sich auch die Renditen für Topobjekte im Bürosegment (sehr gute Lagen, lange Mietverträge und bonitätsstarke, zumeist öffentliche Mieter), für die weiterhin Renditen um 3,0 Prozent erzielt werden.

Neben der anhaltend hohen Attraktivität der Top-Produkte in den jeweiligen Segmenten zeigt sich aber auch eine deutlich zunehmende Differenzierung bei Objekten, welche durch ihre Lage, Mieterbonität, Mietvertragslaufzeiten oder sonstige Charakteristika ein höheres Risiko aufweisen. Für derartige Immobilien sind die Risikoaufschläge teils deutlich höher geworden und diese Entwicklung könnte noch weitergehen. Ein wesentlicher Grund dafür ist neben dem erhöhten Sicherheitsbedürfnis der Investoren insbesondere auch eine restriktivere Finanzierungspolitik der Banken, die bei diesen Objekten einen deutlich höheren Eigenmittelanteil und auch höhere Zinsmargen verlangen.

Ausblick

Im zweiten Halbjahr ist mit einem deutlichen Anstieg des Transaktionsvolumens im Vergleich zur ersten Jahreshälfte zu rechnen. Bereits im Juni hat sich das Marktgeschehen wieder weitgehend normalisiert, sistierte Verhandlungen wurden wieder aufgenommen und auch Finanzierungen können, wenn auch zu teils anderen Konditionen, wieder organsiert werden.

Getrieben wird das Marktgeschehen weiterhin von hoher Liquidität institutioneller wie auch privater Investoren. Die Erwartung einer noch lange anhaltenden Niedrigzinsphase, unattraktive Veranlagungsmöglichkeiten in festverzinsliche Wertpapiere und beachtliche Risiken an den Aktienmärkten tragen sogar dazu bei, dass Immobilien im Anlagemix großer Investoren tendenziell weiter an Bedeutung gewinnen. Darüber hinaus werden in den kommenden Monaten auch Nachholeffekte zu verzeichnen sein, wenn eine Reihe von durch die Coronakrise verzögerten Transaktionen abgeschlossen wird.

Ein Rekordvolumen wie im Jahr 2019 mit sechs Mrd. Euro ist jedoch nicht realistisch. Aus heutiger Sicht wird das Investitionsvolumen 2020 in einer Bandbreite von 4,0 bis 4,5 Mrd. Euro liegen. In einer längerfristigen Betrachtung ist aber auch das noch immer ein sehr respektables Ergebnis mit einem höheren Transaktionsvolumen als in den meisten „normalen“ Jahren ohne Corona.

Der Schwerpunkt der Marktaktivität wird dabei vermutlich weiterhin im Wohnsegment sowie bei Top-Büroobjekten liegen. Im Segment Einzelhandelsimmobilien haben vor allem Nahversorger und Lebensmittler gute Chancen, der Hotelmarkt wird hingegen wohl erst im kommenden Jahr wieder in Schwung kommen.

Die Renditen werden im wesentlichen stabil bleiben, mit leicht sinkender Tendenz bei Wohnen und gewerblichen Spitzenobjekten mit langfristigen Mietverträgen einerseits und steigender Tendenz außerhalb des Core-Segments andererseits.