Presse/News | Besondere Annahmen in der Immobilienbewertung
Eine der ersten und wesentlichen Aufgaben im Zuge einer Immobilienbewertung ist es, am besten bereits im Rahmen der Auftragserteilung, die grundlegenden Ausgangsparameter für die Bewertung zu definieren. Neben dem Bewertungsstichtag und dem Bewertungszweck, der entsprechend zu definieren und im Gutachten festzuhalten ist, kommt es hier insbesondere bei Entwicklungsliegenschaften auf eine sorgfältige Überprüfung der Datenlage zum Bewertungsstichtag an. In der Überprüfung sind die Vollständigkeit der Daten und die Datenqualität zu prüfen, in der Folge sind die übermittelten Unterlagen auf ihre Plausibilität zu überprüfen. Dieser Plausibilitätscheck erfordert entsprechendes Fachwissen und Erfahrung des Gutachters. Stellt sich heraus, dass die Datenqualität in Teilbereichen nicht ausreicht, so sind laut ÖNORM Liegenschaftsbewertung, vom Gutachter in Ausnahmefällen zu einzelnen Kategorien begründete Einschätzungen und Annahmen treffen. Derartige Annahmen können vom Gutachter auf Basis seiner Markterfahrung und im Hinblick auf ein übliches Marktgeschehen getroffen werden.
Darüber hinaus definiert die ÖNORM Liegenschaftsbewertung sogenannte besondere Annahmen: wenn von einem Umstand auszugehen ist (oder angewiesen wird, von etwas auszugehen), der sich von demjenigen unterscheidet, der zum Tag der Befundung verifizierbar ist, gilt dies als eine besondere Annahme. Diese besondere Annahme muss sich auf den Bewertungsgegenstand beziehen (baulicher Zustand, Vermietungsstand, rechtliche oder baurechtliche Voraussetzungen u. a.), jedoch nicht auf den Käuferkreis. Auf solche Annahmen ist im Zusammenhang mit den zu ermittelnden Werten hinzuweisen.
Besondere Annahmen betreffen bei Entwicklungsliegenschaften häufig Überlegungen zum Umgang mit einem vorhandenen Bestand (z.B. Abbruch, Vermietungssituation) sowie Potenziale (z.B. Flächenwidmungs- und Bebauungsbestimmungen, mögliche Nutzungsarten), die sich wesentlich auf die Ausnutzbarkeit und damit den Wert der Liegenschaft auswirken. Seitens der Projektentwickler liegen dazu meist entsprechende Bebauungsstudien und Projektkonzepte vor, die als Datengrundlage in das Gutachten einfließen. Hier sind die Gutachter gefordert ihr Markt-Knowhow einzubringen und gerade wenn es z.B. um innovative, neue Projektkonzepte geht, auch über den Tellerrand zu blicken. Gleichzeitig ist zu betonen, und im Gutachten klar darauf hinzuweisen, dass der ermittelte Verkehrswert dann tatsächlich nur unter diesen besonderen Bewertungsannahmen gültig ist. Um die Auswirkungen besonderer Annahmen auf den Verkehrswert darzustellen, kann auch eine Darstellung unterschiedlicher Szenarien dem Kunden sowie weiteren Adressaten des Gutachtens dienlich sein.
Kommentar entnommen aus Immofokus | Ausgabe 6.22